In Erlangen – es ist schwer zu glauben – war mal die Speerspitze der Bewegung. Erstmals in Deutschland zog dort ein Grüner in ein Stadtparlament ein. Das ist jetzt genau 40 Jahre her. Grund genug für das illustre Häufchen, das damals als „Grüne Liste“ die Kommunalpolitik für sich entdeckte, sich zu einem Veteranentreffen einzufinden.
26 Leute kandidierten damals für den Erlanger Stadtrat. Die Berufsbezeichnungen waren da noch „Student“, „Literat“, „Gelegenheitsarbeiter“ oder „Ökonom“ (auch ein „Journalist“ war mit dabei ;-)). Inzwischen lauten sie „Arzt“, „Umweltreferent“, „Buchhändler“ oder „Rentner“.
Seinerzeit standen die Kandidaten für eine bunte Alternativbewegung. Naturschützer, sozialdemokratisch Frustrierte, Atomkraftgegner, Weltverbesserer, Stadtindianer, Radfahrenthusiasten oder fränkische Seperatisten hatten sich damals zusammengetan, um die durch Siemens, Kraftwerk-Union oder Patrizier beherrschte Universitätsstadt ein bisschen lebenswerter zu machen.
Auf Anhieb reichte es vor 40 Jahren zu einem Sitz im Erlanger Stadtrat. Dessen Inhaber sorgte dort anfangs für mehr Wirbel als der biedere, 49-köpfige Rest. Zunächst zog der Medizinstudent Wolfgang Lederer ins Stadtparlament ein, nach einem Jahr folgte der jetzige Nürnberger Umweltreferent Peter Pluschke. Bei der Grünen Liste wurde nämlich im jährlichem Turnus durchgewechselt. Denn: Wer zu lange in Parlamenten hockt, der verliert die Bodenhaftung.
Medial unterstützt wurde der Wahlkampf der Grünen Liste von der Erlanger Stadtzeitung „Was Lefft“. Die konnte in einer für 20 Pfennig verkauften „Notausgabe“ sogar exklusiv über den Ausgang der Erlanger Kommunalwahl berichten. Die Erlanger Lokalzeitung erschien damals nicht, weil deren nicht-alternative Belegschaft für höhere Löhne streikte.
Inzwischen sind die Protagonisten von damals leicht ergraut. Der Begriff „alternativ“ wird leider von anderen okkupiert. Doch die alten Forderungen lesen sich immer noch erstaunlich aktuell: Bäume statt Blech, Wohnungen statt Parkplätze, Erhalt von Altbauten statt Neubau von Hochhäusern, Nulltarif für den Nahverkehr, Schluss mit Stellvertreterpolitik…
Es lag aber weniger am fortgeschrittenen Alter, dass das Veteranentreffen diesmal harmonischer verlief, als das zum 25. Geburtstag der Grünen Liste (vor allem die damalige Bundesvorsitzende Claudia Roth dürfte sich an den Event nur ungern erinnern). Zum 40-Jährigen wurden nämlich bewusst keine Vertreter der erst zwei Jahre später gegründeten gleichfarbigen Partei eingeladen. Die und deren Protagonisten sind sich nämlich nach wie vor nicht immer grün.
Mehr zur Grünen Liste hier, hier und in einer Facharbeit (PDF) zum Thema.
Nachtrag, 4.5.2018:
Inzwischen haben auch die üblichen Verdächtigen das Ereignis gewürdigt: hier die SZ und hier die EN.
Tja, man wünscht sich derzeit wenigstens ansatzweise so etwas wie Rotation in der Politik, und die Grünen sind haben sich leider in Sachen Bodenhaftung auch nicht gerade verbessert. Im Gegensatz zu den Gepflogenheiten der früheren Grünen Liste, die sich gesellschaftlichen Schauveranstaltungen oder Geheimtreffen stets entzogen hat, freuen sich heutige „grüne“ Spitzenpolitiker, dass sie zum Starkbieranstich oder zu Bilderberger Treffen eingeladen werden …