Der Redakteur und sein interessantes Leben

Wer die letzten drei Jahre von außerhalb nach Erlangen oder von Erlangen nach außerhalb wollte, der musste leiden. Die Martinsbühler Straße war gesperrt und damit der direkte Stadtzugang von Westen. Inzwischen ist der Umbau beendet. Wie gut!

Schilder, die dieses freudige Ereignis weitergeben, sucht man allerdings (gestern zumindest) vergebens. Dafür gibt es ja die Erlanger Nachrichten, die sowas in die Welt posaunen. Wobei deren magazinige Aufmachung heute eher an einen zeitlosen Beitrag in der Samstagsbeilage erinnerte als an eine harte Meldung, die das Ende eines Missstands signalisiert, der die Stadt drei Jahre lang teilweise lahm legte.

Dank der magazinigen Aufmachung dürfen wir nun auch erfahren, dass die Redakteure der Erlanger Nachrichten – zumindest wenn sie sich nicht nur per Rad in ihrer Innenstadtblase bewegt haben – ebenfalls unter der Situation gelitten haben.

Jetzt kommet ihr daher, wo alles vorbei ist, möchte man ihnen zurufen.

Aber leider hat sowas mittlerweile Methode und ist kein Alleinstellungsmerkmal der Erlanger Nachrichten. Einerseits wird vor allem Beschwichtigung betrieben und der Stadtverwaltung der Rücken frei gehalten, andererseits meint man, der zunehmend wegdriftenden Leserschaft zeigen zu müssen: Wir sind bei euch, euer Redakteur ist kein abgehobenes Wesen, sondern steht mitten im Leben.

Zur Unzeit kommen derartige Botschaften aber leider nicht an. Da liest man dann eben nur langweilige Erlebnisse von Leuten, die auch gerne ein bisschen prominenter wären. Dabei hätte jeder x-beliebige Leser in den letzten drei Jahren mindestens genauso interessante Schwänke zur Sperre der Martinsbühler Straße beitragen können. Aber die wurden, wohlweislich, gar nicht gefragt.

2 Gedanken zu „Der Redakteur und sein interessantes Leben“

  1. Journalisten sollen zur Marke werden, das war eine der Vorgaben, die die Digitalwandler in den letzten Jahren durch die Redaktionsstuben posaunten. Die Folge: Jeder stromlinienförmige Karrierejourno hält mittlerweile seinen Bolmers in irgendwelche Webcams oder verbreitet bei jeder sich bietenden Gelegenheit Schwänke aus seiner Jugend. Selbstredend sind das auch jene Kohorten, auf die die twitternden und facebookenden Chefredakteure zählen können, wenn es ums retweeten oder liken geht. Doch leider: Auf der Schleimspur wird keiner zur Marke.

  2. Das Phänomen, dass Journalisten weniger ein Interview mit Betroffenen führen, als Interviewer und Interviewter in einer Person zu sein – oder auch im Stil eines Schulaufsatzes schreiben: Wie ich meine Sommerferien/mein Weihnachten/meine Zeit der Straßensperrung erlebte – ist tatsächlich immer mehr zu beobachten und leider nicht nur auf die Erlangen Nachrichten beschränkt. Guter alter investigativer Journalismus wird aber nicht nur dadurch ersetzt, sondern gern auch durch das unreflektierte „Nachbeten“ von „offiziellen“ Verlautbarungen. Bei öffentlich-rechtlichen Sendern verwundert das ja nicht mehr, wenn es heißt: WEs Brot ich ess, dessen Lied ich sing“. Wenn die Journalisten der Tageszeitungen allerdings nicht aufpassen, wird deren Leserschaft noch weiter abnehmen.
    Übrigens war von den öffentlich wirksam in die Kamera der Presse gehaltenen Hinweisen zur Neueröffnung schon kurz danach nichts mehr zu sehen. Als Autofahrer aus Richtung Dechsendorf kommend habe ich mich jedenfalls gefragt, ob ich da nun fahren darf, da außer mir sich keiner die Spur zu belegen traute. – Aber Hauptsache, die brav genannten Wirtschaftsreferenten, Baureferenten und sonstigen Geschäftsführer konnten ihr Gesicht in die Kamera halten!
    Mann, Mann, Mann!

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